„Wenn ich dieses Stärken- Feedback von meiner Führungskraft erhalten würde, würde ich ihr die Füße küssen!“ sagt die Führungskraft im Coaching.
Soeben sieht sie ihre ermittelten Stärken schwarz auf weiß auf dem Flipchartbogen.
„So einiges war mir ja bewusst, in der Gänze jedoch ist es ganz schön beeindruckend.“
Wir staunen und lassen es bewusst etwas wirken.
„Wie gibst du deinen Mitarbeiter:innen Feedback?“ frage ich.
„Ganz ehrlich, bisher nicht so detailliert. Natürlich gebe ich ein Lob, wenn ein Projekt gut gelaufen ist, oder wir einen guten Job bei Preisverhandlungen gemacht haben.
Diese Liste hier inspiriert mich und vor allem, wie wir an die Stärken herangekommen sind.“
„Wie schätzt du dich ein: gibst du vorrangig Feedback zu negativen Aspekten oder zu Positiven?“
„Ich glaube 70:30 – 70% eher Kritik und 30% Lob.“
„Wie sieht deine Erwartungshaltung in Bezug auf deine Mitarbeiter:innen aus?
Variante A: Der Mensch ist unwillig, will an die Hand genommen werden, muss ständig angetrieben und streng kontrolliert werden?
oder
Variante B: Der Mensch ist engagiert, ist von Natur aus leistungsbereit, ist von innen heraus motiviert und daher sind Kontrollen kaum notwendig?“
„Gute Frage, ich glaube, das ist in meinem Team gemischt. Einige muss ich strenger kontrollieren als andere. Manche sind motiviert und andere scheuen jede Verantwortung.“
Mit welcher Erwartungshaltung gibst du Feedback?
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Positive Erwartungshaltung: | Negative Erwartungshaltung: |
§ Gibt vorrangig Feedback zu positiven Aspekten | § Gibt vorrangig Feedback zu negativen Aspekten (Kritik) § Gefahr: selbsterfüllende Prophezeiung |
„Das heißt: jemand in deinem Team steckt da ein Stück weit in der Bewertungs-Schublade fest?“ – konfrontiere ich.
Das birgt die Gefahr einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Die selbsterfüllende Prophezeiung ist ein psychologisches Phänomen, das unser eigenes Verhalten, aber auch das unserer Mitmenschen beeinflussen kann.
Im Kern besagt eine selbsterfüllende Prophezeiung: Wenn wir ein bestimmtes Verhalten oder Ergebnis erwarten, tragen wir selbst dazu bei, dass dieses Verhalten oder Ergebnis auch wirklich eintritt.
Der entgegengesetzte Effekt wird als selbstzerstörende Prophezeiung bezeichnet, wobei durch unser Zutun eben dafür gesorgt wird, dass ein Ergebnis gerade nicht eintritt.
Die Führungskraft stutzt und wir beginnen mit der Stärkenanalyse dieses Mitarbeiters. Die Schublade öffnet sich langsam wieder…
Und nun kommen wir zum Lob.
Aus der Gallup-Forschung aus dem Jahre 2020 berichten 47% der Mitarbeiter, dass sie „ein paar Mal im Jahr“ oder weniger Feedback von ihrem Vorgesetzten erhalten. Und 19% sagen, dass sie einmal im Jahr oder weniger Feedback erhalten.
Obwohl Führungskräfte Angst haben, Mikromanager zu sein, erhalten die meisten Mitarbeiter:innen viel zu wenig Feedback – und selbst diejenigen, die negatives Feedback erhalten, würden es vorziehen, mehr zu bekommen.
Hier kommen einige Tipps zum stärkenorienterten Feedback:
Gib konkretes Lob – keine Lobpauschale („Du hast einen guten Job gemacht!“)
– Ich finde die Art sehr gut, wie du mit positiven Sprachbildern eine gute Stimmung im Team erzeugst.
– Ich höre und schaue gerne zu, wenn du mit deinen Sprachbildern Menschen zum Lächeln bringst.
Ich finde, …
– du benutzt eine sehr anschauliche Sprache, verwendest Sprachbilder, die im Gedächtnis bleiben.
– du verwendest viele Beispiele. Das ist für unsere Kunden leicht verständlich.
– du hast eine beruhigende Körpersprache, eine aufmunternde Gestik.
– du wirkst sehr überzeugend.
Auch die Anstrengung loben
Achtung Falle: Die Qualitätskontrolle konnte trotz großmöglichstem Einsatz nicht zu 100% genügen.
Die Stimmung ist im Keller. Selbstzweifel nagen am Team. Lobe die Anstrengung und die Einsatzbereitschaft! Was ist daraus gelernt worden? Auch das kann in den Fokus gerückt werden.
Wie kommt es, dass wir uns ständig Feedback-Unterversorgt fühlen?
Generell ist der Wunsch nach Selbstwerterhöhung (oder zumindest Erhalt des eigenen Selbstwertes) eines der Grundbedürfnisse von Menschen.
Das Gefühl, in „Ordnung zu sein“, von anderen Menschen geachtet, respektiert und anerkannt werden kann auch vom Ursprung her als Sicherheitsbedürfnis gesehen werden.
In Unternehmen kündigen Mitarbeiter eher ihren Arbeitsplatz, wenn sie sich vom Vorgesetzten nicht akzeptiert und wertgeschätzt fühlen, als dass sie gehen, weil ihr Gehalt zu niedrig ist (vgl. Gallup-Studien).
Daueranklagepunkt ist oftmals die mangelnde Anerkennung durch die Führungskraft.
Manchmal ist jedoch der Hunger nach Anerkennung ein emotionales Fass ohne Boden, das täglich neu gefüllt werden soll. Dieses Bedürfnis, gesehen und anerkannt zu werden, geht dabei oft über das Maß, was ein Unternehmen leisten kann, hinaus.
Einige Menschen treten ihre „emotionale Grundversorgung“ komplett an ihre Vorgesetzten ab. Unternehmen und Führungskräfte fühlen sich quasi in die Elternposition hineingedrängt und mit vielfältigen unrealistischen Erwartungen konfrontiert.
Doch wie kommt es dazu?
Dazu ein Blick in die Kindheit: Frage dich selbst, was waren die Erwartungen oder Forderungen an dich? Was hat z.B. dein Vater an dir abgelehnt? Was wollte er dir austreiben? Was wollte er dir angewöhnen? Hat dein Vater dich jemals gelobt? Und wenn ja, wofür? Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass dein Vater dich wertschätzt, lobt und liebt? Das er vielleicht sogar stolz auf dich war?
Bei den meisten wurde diese Sehnsucht nicht gestillt. Das hat bis heute mancherlei Folgen in unserem Leben in Bezug auf Partnerschaft und auch in der Arbeitswelt.
Die Bewusstwerdung dieser Zusammenhänge ist schon ein erster Schritt heraus aus dem Dauer-Defizit-Anerkennungs-Bedürfnis.
Willst du dein Feedback ebenfalls konkreter für deine Mitarbeiter:innen gestalten? Dann schicke mir eine persönliche Nachricht an: kontakt@beate-gutke.de