Pflegefachkraft Karin ist Ende 50 und möchte, dass die junge Generation endlich mal ordentlich mit anpackt, fleißig ist und sie entlastet. Nadine ist 23 Jahre und möchte vor allen Dingen einen freizeitfreundlichen Dienstplan und eine gute Work-Life Balance mit viel Raum für Party und Freunde. Lucas ist Anfang 30 und kann die Mentalität der Selbstaufopferung und das Helfersyndrom seiner älteren Kollegen und Kolleginnen nicht nachvollziehen. Seine Familie ist ihm mega wichtig und wenn der Dienstplan ihm in die Quere kommt, dann besorgt er sich halt einen gelben Schein. Für Martina, 49, steht vor allem der Patient als Mensch im Mittelpunkt, und genau diese Einstellung fehlt ihrer Meinung nach den Jüngeren. Nils kommt frisch aus der Ausbildung und hat dort viele Ideen und Impulse über moderne Pflege bekommen, die er gerne umsetzen möchte, hat aber im Team das Gefühl, mit seinen Anregungen vor eine Wand zu laufen.
In den meisten Teams prallen die unterschiedlichsten Werthaltungen und Arbeitsstile, so wie Menschen aus ganz unterschiedlichen Generationen und Kulturen ungeschützt aufeinander. Im schlimmsten Fall kann das zu chronischen Konflikten und Gräben im Team führen. Für die Leitung stellt das oft eine große Herausforderung dar: Zum einen will sie in Zeiten des Fachkräftemangels die jungen Kolleginnen gewinnen und binden und zum anderen möchte sie den älteren Kollegen gegenüber nicht ungerecht werden, z.B. durch zu große Zugeständnisse an die Jüngeren.
Das Generationen-Wertegespräch im Überblick*
(*in Anlehnung an Team-Werte-Multilog – Institut für Unternehmensgesundheit)
Um solche Situationen zu entschärfen, ist es für Leitungen eine kluge Strategie, die Verantwortung für die Klärung dieser Konflikte zurück in das Team zu verlagern.
Der Generationen-Wertegespräch ist ein Gesprächsinstrument für Leitungen mit dem Ziel, ein konstruktives und klärendes Gruppengespräch zwischen Mitarbeitenden verschiedener Generationen und unterschiedlicher Werthaltungen zu initiieren. Er basiert auf der Annahme, dass generationsbedingte Konflikte nur dann gelöst werden, wenn beide Seiten ein besseres Verständnis füreinander bekommen. Dazu ist es hilfreich, die unterschiedlichen Werte sowie die damit verbundenen Wünsche und Erwartungen in einem geschützten Rahmen transparent zu machen und zu verhandeln.
Setting und Einsatzmöglichkeiten
Das Setting ist einfach: Eine durch die Leitung moderierte Teamsitzung von ca. 45-60 min Dauer, teil nimmt möglichst das ganze Team oder zumindest die am Konfliktgeschehen zentral Beteiligten, maximal 10-12 Personen. Alle werden vorab informiert, dass es sich um ein außerordentliches Treffen handelt, bei dem es ausschließlich um die Zusammenarbeit im Team geht.
Das Instrument eignet sich vor allem für unterschwellige Konflikte bedingt durch unterschiedliches Arbeitsethos, latente Vorwurfshaltungen und verschiedene Wertvorstellungen insbesondere zwischen den Mitgliedern verschiedener Generationen. Nicht geeignet ist das Instrument bei hocheskalierten Konflikten oder bei Differenzen, die sich auf zwei oder drei Teammitglieder begrenzen.
Der Ablauf folgt einer psychologisch abgestimmten Chronologie. Die Kommunikation verläuft ausschließlich in ‚Runden‘, in denen jede/r nacheinander zu vorgegebenen Fragestellungen zu Wort kommt. Es gibt kein ‚Cross-Talk‘, da dieser schnell zur Eskalation führt. Die moderierende Leitung hat die Aufgabe, auf die Einhaltung der Struktur zu achten und die Teammitglieder ggf. auf die jeweilige Fragestellung zurückzuführen.
Der Ablauf
Phase I: Einleitung – Anlass – Ziele – Spielregeln
Zu Beginn werden zunächst Anlass, Ziele und Sinn der Veranstaltung erläutert. Zusätzlich werden der Ablauf in groben Zügen vorgestellt und wichtige Gesprächsregeln vereinbart.
Phase II: Bestandsaufnahme und Werte
Als nächstes kommt jedes Teammitglied in einer Eröffnungsrunde zu 2 Fragestellungen zu Wort:
- „Wie erlebst Du momentan die Situation im Team?“
- „Was ist Dir für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team besonders wichtig?“
Hier wird zum einen das individuelle Erleben im Team transparent, zum anderen werden mit der zweiten Frage wichtige Werte der Zusammenarbeit abgefragt. Die Leitung akzeptiert, in welcher Tiefe die Fragen beantwortet werden, achtet aber darauf, dass die Kollegen beim Thema bleiben.
Phase III: Zusammenfassung – Herausarbeitung der Konfliktlinien
Die Leitung fasst zusammen, welche unterschiedlichen Positionen und Haltungen sie wahrgenommen hat und lässt sich bestätigen, dass Sie alle richtig verstanden hat.
Phase IV: Erwartungsklärung
Hier bekommen alle Beteiligten die Möglichkeit, konkrete Erwartungen und Wünsche an andere Teammitglieder zu richten. Die Fragestellung ist bewusst so gewählt, dass die Erwartungen spezifisch, lösungsorientiert und zukunftsgerichtet formuliert werden:
- Wenn Du Dir etwas wünschen dürftest: „Wer hier im Raum sollte zukünftig was konkret anders machen, damit sich das Zusammenspiel im Team verbessert?
- Was wäre dann besser/einfacher/leichter?
An dieser Stelle ist es die wichtige Aufgabe der Moderation dafür zu sorgen, dass die Erwartungen fair und respektvoll geäußert werden. Zudem ermutigt sie die Sprechenden, spezifisch auf die jeweilige Person bezogen das zu benennen, was sich auf ihrer Sicht konkret ändern sollte. Die Kommunikation verläuft wiederum in einer Runde, die Adressaten hören einfach zu und rechtfertigen sich nicht.
Falls eine offene Kommunikation nicht möglich ist, kann die Rückmeldung auch schriftlich erfolgen.
Phase V: Integration
Auf der Basis der jeweilig an sie gerichteten Erwartungen die Teammitglieder abschießend Stellung, was ihr eigener Beitrag zur Verbesserung des Zusammenspiels ist. Dies fällt den meisten Menschen jetzt leichter, da sie vorher ihre Erwartungen an die anderen richten konnten. Die Fragestellung lautet:
- „Was kannst Du selber tun, um einen Schritt auf die Anderen zuzugehen und unsere Zusammenarbeit zu verbessern?“
Die Leitung achtet darauf, dass jede/r einen eigenen Beitrag formuliert und nicht wieder in Forderungen an die Anderen verfällt.
Phase 6: Vereinbarungen und Abschluss
Die Leitung schaut, welche sinnvollen und von allen getragenen Vereinbarungen sich als Ergebnis des gesamten Dialoges festhalten lassen. Weiterhin gibt es mitunter Themen, wo es wichtig ist, sich als Leitung zu positionieren. Die Leitung schließt mit einem Dank und einem kurzen Ausblick, wie die Ergebnisse im Alltag nachgehalten werden.
Sinnvoll ist es, nach 3-6 Wochen ein kurzes Follow-Up zu durchzuführen und mit dem Team gemeinsam zu untersuchen, ob sich die Situation verbessert hat.
Hast Du ebenfalls Interesse in deinem Team mehr Transparenz über verschiedene Generationen-Werte zu bringen?
Sende mir eine persönliche Nachricht an: kontakt@beate-gutke.de